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Aria Borealis Bodø: International Competition for Early Music Singers

Skandinavisches Familienfest der internationalen Alte-Musik-Szene:


Historische Aufführungspraxis unter der Mitternachtssonne Norwegens

Vom 24. Juni bis 2. Juli 2022 feiert das Alte-Musik-Festival Aria Borealis Bodø in der gleichnamigen
nordnorwegischen Hafenstadt seine Premiere. Neben einem Gesangswettbewerb, Lunch Talks und
reizvollen Konzertprogrammen erwarten die Besucher bei Meisterkurse und Workshops überraschend
viele Mitwirkungsmöglichkeiten, die Jüngeren eine besondere Sommerakademie mit Jugendorchester.
In Bodø werden musikalische Teilhabe für alle und Freude am Musizieren in familiärer Atmosphäre auf
höchstem künstlerischem Niveau im Sommer 2022 zum Programm.
Es ist eine besondere Art von Willkommenskultur, Offenherzigkeit und familiärer Atmosphäre, die die
Skandinavier von ihren kontinentalen Nachbarn unterscheiden. Für sie braucht es auch nicht unbedingt die große
Inszenierung, Rekordjagden oder den Wettkampf bis auf die letzte Note für das eigene – gerade auch
künstlerische – Selbstverständnis. Aus diesem Geist heraus entstand die Idee zu einem Alte-Musik-Festival der
neuen, quasi „hyggen“ Art: Die Aria Borealis Bodø will künftig alle zwei Jahre als kombiniertes Begegnungs-,
Wettbewerbs-, Weiterbildungs- und Konzertfestival eine eigene Marke im internationalen Musikkalender
etablieren – unter Beteiligung der vier führenden skandinavischen Barockorchester und mit ausdrücklicher
Teilhabemöglichkeit für jede und jeden aller Alters- und Leistungsstufen … ein echtes Familienfest eben.
Der Festivalort Bodø, gelegen auf einer Halbinsel zwischen nördlichem Polarkreis und den Lofoten, bietet dafür
ideale Voraussetzungen: Als „Mini-Metropole“ Nordnorwegens mit rund 52.000 Einwohnern und Hauptstadt der
Provinz Nordland vereint sie familiäre Intimität mit weltstädtischer Kulturkompetenz und -pflege im modernen
Stormen Culture Centre, das u. a. eine der schönsten Bibliotheken der Welt (ausgezeichnet mit dem
norwegischen Public Library of the Year Award 2018) sowie die Stormen Concert Hall. Das Konzertgebäude ist
mit insgesamt drei Sälen ausgestattet: dem kleinen Saal, dem Club-Saal Sinus und dem großen Saal, ein komplett
holzvertäfelter, über 900 Plätze fassender Konzertsaal mit herausragender Akustik. Hier ist seit zwei Jahren
Rasmus Adrian, ehemaliger Geschäftsführer von Concerto Copenhagen, als Direktor und CEO tätig, der das
Festivalkonzept von Aria Borealis Bodø maßgeblich verantwortet. Als Kooperationspartner konnte das Netzwerk
Nordic Baroque Scene (NBS) mit seinen Spitzenensembles Concerto Copenhagen aus Dänemark, dem Finnish
Baroque Orchestra, Barokkanerne aus Norwegen und dem schwedischen Drottningholm Baroque Ensemble
gewonnen werden, die jeweils Instrumentalistinnen und Instrumentalisten nach Bodø entsenden. Diese
erfahrenen Virtuosinnen und Virtuosen wurden auch bewusst danach ausgewählt, ob „sie Spaß daran haben,
auch nach einem Konzert sich noch auszutauschen und nicht direkt nach Hause zu gehen“, erläutert die NBS-
Projektmanagerin Mari Giske. Sie werden dort nämlich sowohl Meisterkurse leiten als auch in
Kammermusikensembles selbst musizieren – insbesondere bei den beiden Finalrunden des integrierten
Internationalen Gesangswettbewerbs –, und das bei durchgehendem Kontakt mit dem Publikum, das in Bodø
auch den Proben oder Kursen beiwohnen darf.
Der Gesangswettbewerb // Aria Borealis Bodø International Competition for early music singers
Die Aria Borealis Bodø Competition ist ein zentraler Baustein des neuen Festivals. Bereits im Vorfeld waren
Sängerinnen und Sänger des Jahrgangs 1987 und jünger zu einer Bewerbung per Video eingeladen, „die über den2/6
Fokus auf Stimmkraft und Projektion hinausgehen wollen zugunsten von Klarheit, rhetorischer Deklamation,
Aussprache und Ausdruck“, denn in Bodø seien die Ensembles kleiner und der Rahmen intimer. Die Musik könne
„dann von Sängern und Musikern gemeinsam erkundet werden mit dem Ziel, die Affekte in ihr aufzuspüren und
Emotionen bei den Zuhörern zu wecken“, so die außergewöhnliche Ausschreibung. Ebenso außergewöhnlich
das folgende Prozedere, bei dem aus den über 100 Bewerbungen aus 39 Ländern nach Online-Sichtung bereits
acht Siegerinnen und Sieger gekürt (und mit jeweils 1000 Euro Preisgeld bedacht) wurden, und zwar durch eine
hochkompetente Jury mit Dame Emma Kirkby, dem Cembalisten und Künstlerischen Leiter von Concerto
Copenhagen Lars Ulrik Mortensen, dem Opernregisseur Stefan Herheim, der Sopranistin Tuuli Lindeberg und
dem Tenor Anders J. Dahlin. „Wir suchten nach besonderen Qualitäten“, so Emma Kirkby: „Bewusstsein und
Reaktion auf unterschiedliche Kontexte und Akustik, Engagement und Dialog mit begleitenden Instrumenten und
die Beredsamkeit, die sich aus einer echten Auseinandersetzung mit Text ergibt. Dabei offenbarten sich unter
den Sängerinnen und Sängern unverwechselbare Charaktere; wir haben acht fantastische Individuen gefunden
– und hätten noch viele weitere auswählen können!“
Damit sind die beiden folgenden Runden im Juni beim Festival vor Ort quasi ein Wettbewerb im Wettbewerb –
und dann fungiert das Publikum als Jury: Die erste Präsenzrunde (25.–27.6.) besteht aus offenen Proben mit NBS-
Musikern und einem Coaching durch Jurymitglieder mit zwei abschließenden Konzerten, bei denen alle
Teilnehmer auch ein Volkslied aus ihrem jeweiligen Heimatland vortragen. In der zweiten Runde (28.6.–2.7.)
treten die Sängerinnen und Sänger dann in Teams an, um zum Abschluss des Festivals bei der Aria Borealis Bodø
Prize Ceremony teilinszenierte Opernszenen darzubieten. Alle Finalkonzerte (Runde I am 27.6. / Runde II am 2.7.)
werden live gestreamt und es ist auch ohne Präsenz vor Ort ein Voting möglich und erwünscht. Hier wurde von
den Veranstaltern nicht zu viel versprochen: ein wahrhaft innovatives Konzept, bei dem die Finalistinnen und
Finalisten schon vor Festivalbeginn als Sieger feststehen und so ganz im gemeinsamen Musizieren aufgehen
können, die Zuhörerinnen und Zuhörer wiederum vor Ort den kompletten Prozess der künstlerischen
Werkerarbeitung hautnah miterleben und begleiten sowie final auch noch ihre eigenen Gewinner küren dürfen!
Das Konzertangebot
Neben den drei Wettbewerbspräsentationen weist der Konzertkalender der Aria Borealis Bodø 2022 Auftritte
weiterer namhafter Künstlerinnen und Ensembles auf: Das Eröffnungskonzert (24.6.) gestalten L’Arpeggiata
unter Christina Pluhar mit ihrem Programm „Alla Napoletana“, einen Tag (25.6.) später laden die erstmals in
dieser Zusammensetzung musizierenden Jurymitglieder zu einem Überraschungskonzert. Am Sonntag (26.6.)
präsentiert der Lautenist Rolf Lislevand gemeinsam mit Per Arne Glorvigen (Bandoneon) und Berit Opheim
(Gesang) in „Venerus“ ein von Liebe und anderen Gefühlen geprägtes Repertoire eigener Arrangements von
Mittelalter-, Barock- oder auch Tangomusik in Verschmelzung mit norwegischer Volksmusik. Am Mittwochabend
(29.6.) steht dann „Baroccan Jazz“ mit dem Barockviolinisten Bjarte Eike und Barokkanerne sowie Tore Johansen
und der Bodø Rhythm Group auf dem Programmzettel. Und am Folgeabend (30.6.) entführt die Komponistin
und Performerin Maja Ratkje gemeinsam mit Nordic Affect unter dem Titel „Rökkur“ in ihre ganz eigene
nordische Klangwelt.
Der Sommerakademie Jugendorchester
Eine weitere Säule der Aria Borealis Bodø – und ein Paradebeispiel für Nachwuchsarbeit – ist die
Teilnahmemöglichkeit für 10- bis 20-Jährige im Festival-Jugendorchester UngBarokk (Anmeldung bis 1. Mai
möglich). Sie sind eingeladen, das barocke Repertoire und die Verbindungen zu anderen Musikstilen auf
spielerische Weise zu erforschen. Dabei werden die Streicher und Holzbläser vom Violinisten Bjarte Eike geleitet,
dem Gründer und künstlerischen Leiter von Barokksolistene. Die Blechbläser arbeiten mit dem renommierten
Pädagogen und Orchesterleiter Mark Bennett zusammen, der auch einige leicht zu spielende Naturtrompeten
(ohne Ventile) im Gepäck hat, um den Jugendlichen eine Vorstellung vom barocken Blechbläserspiel zu
vermitteln. Schließlich werden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Barocktanzexpertin Elizabeth
Svarstad auf die Tanzfläche gehen und die edle Kunst des Flirtens im 18. Jahrhundert kennenlernen sowie ein
neues Verständnis für den eigenen Körper bei einem Workshop mit Tina Margareta Nilsen vom Musicians‘
Health and Movement Institute (MHMI) gewinnen können. Ihre Resultate präsentieren die Jugendlichen dann
öffentlich in einem eigenen Konzert am 1. Juli.3/6
Die Meisterkurse und Workshops
Besondere Erwähnung verdienen auch die Aria Borealis Bodø Sessions – Meisterkurse (mit 14 Dozentinnen und
Dozenten) und Workshops (mit 7 Dozentinnen und Dozenten) von höchster Qualität, die sich nicht nur an
Berufsmusikerinnen, Berufsmusiker und angehende Profis richten, sondern überwiegend auch an Amateure und
Liebhaber bzw. interessierte Besucher. Möglich ist sowohl eine aktive als auch passive Teilnahme in den
Meisterkursen für Sänger, Streicher, Flötisten, Blockflötisten, Oboisten, Lautenisten, Cembalisten und Ensembles
sowie an den Workshops zu Improvisation, Ensemblegesang, Generalbassausführung, Barocktanz, Sami Joik
(traditionelle Gesangstechnik) und Timani (Methode zur Körperentspannung beim Musizieren). Darüber hinaus
besteht die exklusive Möglichkeit, Stefan Herheim im Workshop „Szenische Interpretation“ bei der Arbeit zu
erleben. Und für alle, die noch vor Ort auf den Geschmack kommen, vermittelt der Veranstalter gerne Kontakt
zu gleichgesinnten Musikern für spontane Kammermusiksessions und vielleicht sogar das eine oder andere Pop-
up-Konzert. Übrigens für alle Sessions-Teilnehmer inklusive: eine Late-Night-Exkursion zur Mitternachtssonne
(28.6.) mit atemberaubenden Aussichten.
Die Lunch Talks
Eine zentrale Programmsäule der Aria Borealis Bodø sind zudem die vier Lunch Talks in der Stormen Library: Dort
spricht Stefan Herheim aus Regisseurssicht über „Music theatre – a spiritual symbiosis“ (25.6.). Emma Kirkby
reflektiert unter der Überschrift „In praise of speaking harmony“ über die Kraft und Poesie der frühen Songlyrik
(27.6.). Elizabeth Svarstad erläutert in „Move to music“ anhand historischer Quellen, wie das Wissen über Tanz
und körperliche Praktiken des 18. Jahrhunderts die Musikpraxis dieser Zeit beeinflussen kann (29.6.). Und Lars
Ulrik Mortensen teilt unter dem Motto „The Performer as Composer“ seine Gedanken zur Aufführung Alter
Musik (1.7).
Die Herzkammer dieses neuen Alte-Musik-Festivals ist während der neun Tage das Stormen Culture Centre, das
alle Beteiligten und Gäste an einem Ort versammelt und damit ein besonderes Gemeinschaftsgefühl ermöglicht.
„Die verschiedenen Räume innerhalb des Veranstaltungsortes werden der Musik dienen und uns auch helfen,
eine besondere Beziehung zwischen den acht Wettbewerbsgewinnern, unseren Instrumentalisten und unserem
Publikum aufzubauen“, so der Initiator Rasmus Adrian. „Das bietet die einzigartige Gelegenheit, eine
Veranstaltung zu entwickeln, die sich vom traditionellen Format für klassische Musikwettbewerbe
unterscheidet.“ Dass die norwegische Hafenstadt zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 ernannt wurde,
überrascht bei derart innovativen Formaten wie der Aria Borealis Bodø kaum mehr.

Detaillierte Informationen finden Sie unter

www.ariaborealis.com/festival.               

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