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Mein Hörtipp: Danae Dörken: „Odyssee“

Die deutsch-griechische Pianistin Danae Dörken kennt die 24 Gesänge der Odyssee von Homer tatsächlich komplett auswendig und ist seit ihrer Kindheit von diesen geradezu fasziniert. Und sie sind für sie heute noch aktuell. Gerade heute. Mehr denn je.

Nicht nur Danae Dörken empfindet die aktuellen Entwicklungen auf der Welt als bedrohlich und beängstigend.

Der Klimawandel und die aufgrund zahlreicher Krisen und Katastrophen nicht enden wollende weltweite Flucht von Menschen, fordern die Gesellschaften und schließlich jeden einzelnen von uns immer wieder neu heraus. Die Coronakrise und die daraus resultierenden Maßnahmen führen zu Beschränkungen, die vor 3 Jahren noch unvorstellbar waren. Schließlich zeigt der Krieg in der Ukraine uns allen, dass nahezu jede Situation sich sogar sehr schnell noch mehr verschlimmern oder gar völlig eskalieren kann.

Die von der Insel Lesbos stammende Pianistin wird durch die Ereignisse dort seit langer Zeit u.a. mit den schlimmen menschlichen Tragödien der Flüchtlingskrisen persönlich konfrontiert.

Doch trotz der weltweiten Krisen verliert sie nicht den Mut. Im Gegenteil. Sie möchte diese gerade umso schwierigere Lebensreise von uns allen durch ihre Musik widerspiegeln und deutlich machen, dass die Menschlichkeit immer und allein im Vordergrund stehen sollte. Und dabei auch die Interessen und Bedürfnisse der ganzen Menschheit beachtet werden sollte. Also kein Blick nur auf sich selbst, sondern zudem auf andere Menschen, auf alle Menschen.

Die von vielen von uns gerade als eine Art Odyssee wahrgenommene Lebenssituation versucht sie mit ihrer musikalischen Reise auf dem neuen Album zu vertonen, ohne dabei jedoch darauf hinzuweisen, dass es neben vielen hoffnungsvollen leider auch verzweifelte Momente geben kann und  geben wird.

Ihre Reise auf diesem Solo-Album führt sie so z.B. über Stücke von Fazil Says, Kinan Azmeh, Manos Hatzidakis und Vangelis über Debussy, Liszt, Mendelssohn Bartholdy hin zum Trauermarsch von Charles Gounod.

Eine sehr bewusst konzipierte musikalische (Themen-) Reise mit sehr verschiedenen und abwechslungsreichen Werken, deren Wurzeln in Themen wie Einsamkeit, Trauer, Verirren liegen und die trotzdem das Träumen und ein Vorankommen eines jeden Menschen ermöglichen.

Es gibt Klavier-Solo-Alben, die durch ihre musikalische Auswahl hervortreten, andere durch die Technik und Interpretation der Pianist:innen und dann gibt es welche, die alles das zusammen vereinen und durch ihren übergeordneten Kontext im Ergebnis so viel mehr sind: Ein Gesamt(kunst)werk, dass die Zuhörer:innen über die reinen musikalischen Stücke hinaus unmittelbar und tief bewegt, sie aufwühlt und sie hoffnungsvoll und positiv führend auf dem Lebenswerk begleitet.

Man fühlt sofort, warum Danae Dörken hier die Stücke ausgesucht hat und es ist ungemein stimmig, wie sie diese angeordnet und individuell interpretiert hat. Ähnlich eines Films mit verschiedenen Teil-Handlungen, wird man durch die verschiedenen kompositorischen und musikalischen Motive und die wunderbar vielfältigen Klangfarben (unterstützt u.a. durch Dämpfungseffekte) geführt und nimmt an den Veränderungen, an der Reise unmittelbar mit allen Emotionen teil.

Stimmungen, Gefühle und immer wieder Elemente wie Trauer und Leid, aber auch Hoffnung und Zuversicht, machen deutlich, dass eine Reise einen selbst fast immer wieder zum Ausgangspunkt zurückführt, man aber dann immer ein anderer Mensch ist, als man es bei der Abreise war. So ergeht es allen beim konzentrierten Zuhören dieser ganz persönlichen Sicht einer Odyssee von Danae Dörken.

Alles befindet sich im Fluss und im Wandel. Ein Wandel, der selbst in schwierigsten Zeiten zeigt, dass es einen Weg hin zum positiven geben kann. Wenn alle Menschen ihre Situation bewusst wahrnehmen, diese verbessern und dabei die der anderen Menschen beachten und wertschätzend berücksichtigen, kann es Hoffnung geben.

Wenn man die heutigen Aufgaben und Probleme lösen will, und das müssen wir alle um zu überleben, muss jeder für sich u n d zugleich als Teil der ganzen Menschheit handeln. Genau dies will Danae Dörken durch die Auswahl der Stücke und ihre besondere Art des Spielens deutlich machen und das gelingt ihr in einer wunderbaren Form. Unterstützt wird dies durch einen sehr klaren und warmen Klang des Steinway & Sons Flügels. Erschienen ist die Ende Juli 2021 im SWR Funkstudio in Stuttgart aufgenommen CD bei Berlin Classics.

Es mag für viele von uns gerade kaum mehr Sicherheit zu geben, viele empfinden es eher als eine Irrfahrt, bei der uns die Wellen immer stärker treffen und uns unkontrolliert hin- und herzuwerfen scheinen. Odysseus war zehn Jahre unterwegs und am Ende hatte er dennoch alle Herausforderungen gemeistert. Die Musik von Danae Dörken erreicht die Menschen vielleicht sogar noch direkter als Worte es in diesem Zusammenhang könnten.

Der Dichter Argyris Efantaliotis (1849-1923) übersetze einst Homers Odyssee ins Neugriechische und schrieb: „Du musst Dunkelheit spüren, um das Licht zu Lieben“.

Danae Dörken zeigt uns allen, dass es Licht gibt und wir alle dies nicht vergessen sollten. Gerade in der heutigen Zeit.

Vielleicht sogar mehr als jemals zuvor.

Ein wundervolles Album einer großartigen Pianistin!  

Ein Interview:

https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/danae-doerken-pianistin-interview-100.html

Die Webseite der Künstlerin:

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Hier ein paar Hörtipps:

https://www.youtube.com/c/DanaeD%C3%B6rkenPiano

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