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Mein Hörtipp: Evgeni Koroliov, Johann Sebastian Bach, Partitas BWV 825, 826 und 830

Im Oktober 2019 und Februar 2020 nahm der in Hamburg lebende russische Pianist Evgeni Koroliov in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin auf einem Steinway D 274 drei der 6 Partiten von Johann Sebastian Bach auf.

Die als „Bachsche Partiten“ in die Musikgeschichte entgangenen Werke wurden ab 1726 von Bach im Selbstverlag in unregelmäßigen Abständen als Einzelwerke einer „Clavir Übung“ veröffentlicht und waren wohl dessen erste gedruckte Werke. Bei den Werken handelt es sich um eine Zusammenstallung von 6 Suiten in verschiedenen Tonlagen (drei in Dur und 3 in Moll).

Nachdem die vorherigen Werkgruppen einen Namen bekamen, die einen als „Englische Suiten“ die anderen als Französische Suiten“, sollten diese 6 schließlich die Deutschen Suiten heißen. Durchgesetzt hat sich aber die Bezeichnung Partiten, unter der sie heute weltbekannt sind. Viele Hervorragende Pianisten haben sie aufgenommen und nun also auch Evgeni Koroliov.

Der 1949 in Moskau geborene Pianist gilt seit Langem als einer der herausragenden Pianisten und verfügt über ein großes Repertoire, bei dem die Musik von Johann Sebastian Bach eine Sonderstellung einnimmt. Er musizierte mit den bekanntesten Orchestern weltweit, spielt aber mit genau so großer Begeisterung auch Kammermusik ein. Diese u.a. mit so namhaften Kammermusik Partner wie z.B. Mich Maisky oder Natalia Gutman.

Nun also diese 3 Partiten auf 2 CDs mit einer Gesamtspielzeit von 81:55 min. Und was macht Evgeni Koroliov daraus? Das, was Liebhaber:innen weltweit mit seinem Bach-Spiel verbinden: Eine Interpretation mit „leisen“ Töne, immer gerichtet auf die Magie, die die Partiten ausmachen können. Evgeni Koroliov ist jedwede Effekthascherei absolut fremd.

Sein Spiel ist technisch perfekt, seine Tempi und Facetten träumerisch gewählt und sein Klanguniversum immer eher zurückhaltend als vorlaut. Tempo und Artikulation sind eher ruhig und von einer harmonischen Ausgewogenheit geprägt von einer gewissen Zartheit und einer ungeheuren Eleganz, selbst oder sogar besonders dann, wenn ein Tanzcharakter gefordert wird. Dennoch verliert er weder die charakteristische Spannung noch läuft er Gefahr in eine interpretatorische Gleichgültigkeit zu verfallen.

Das größte Lob möchte ich ihm aber dafür aussprechen, dass er es schafft, diese so unterschiedlichen Werke in seiner Interpretation dem Geist Johann Sebastian Bachs zu entsprechen und dabei die Zuhörer:innen in eine, in seine, faszinierende Musik- und von leuchtenden Farbtönen geprägte Klangwelt zu entführen. Dort wo die Spannungsbögen es erfordern, bricht er sehr subtil, ohne dabei jedoch den musikalischen Fluss zu zerstören und dort, wo Wiederholungen gefordert sind, spielt er diese mit Zartheit, stilvoll, und eher geschmeidig und unaufdringlich.

Ist dies ein zu „zarter“ Bach? Ich denke nicht, zumal die wieder herausragende Aufnahmetechnik die fast schon lyrische Vorstellung von Evgeni Koroliov in jeder Hinsicht perfekt unterstützt. Der große Steinway wird wunderbar klar, ohne jegliche Härte und trotz des unglaublichen Dynamikumfangs mit einer großen Portion klangschöner Wärme wiedergegeben. Und so unterstützt die Aufnahme die Intention des Pianisten in geradezu perfekter Art und Weise. Diese Doppel-CD überfordert die Zuhörer:innen nicht, sie konfrontiert sie nicht mit der Komplexität der Werke und den hohen Anforderungen, die diese an die Musiker:innen stellt: Sie führt sie mit traumhafter Sicherheit und wirklich selten zuhörenden Schönheit in die drei der 6 Partiten ein. Ein Meisterwerk der Musikgeschichte vom größten Komponisten aller Zeiten, gespielt mit dem Fokus, der auch Johann Sebastian Bach immer sehr wichtig war. Den auf den Menschen. Ja, vielleicht kann man sagen, dass diese Aufnahme geprägt ist von einer menschlichen Sichtweise, auf eine Interpretation, bei der die Gefühle, die bei den Zuhörer:innen entstehen im Vordergrund zu stehen scheinen. Die Sicht, die Evgeni Koroliov hier anbietet, ist die, die der Schönheit, der Vermenschlichung der Musik durch die Möglichkeiten und den Farbereichtum, den der moderne Flügel hier bietet. Interessant dabei auch, dass Koroliov auch nicht versucht, wie ein Cembalo zu klingen. Genau das, wie auch die eher gemäßigten Tempi, die er gewählt hat, unterstützen seine Idee, sein Ziel und seinen Wunsch, die Partiten in ihrer Einzigartigkeit allen Menschen gegenüber wiederzugeben. Seine Interpretation, seine eigene ganz persönliche Zurückhaltung und Bescheidenheit und sein Blick von Erhabenheit und Klangschönheit bieten jedem Menschen vom ersten Zuhören an einen direkten Zugang in das Werk. Einen, von dem man süchtig werden kann.

Mein Fazit?

Nun, da würde ich gerne den Komponisten György Ligeti zitieren, der es auf den Punkt gebracht hat: „Wenn ich nur ein Werk auf eine einsame Insel mitnehmen darf, wähle ich Koroliovs Bach.“

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Für mich ganz klar eine der besten Aufnahmen der Partiten!

TACET 265

Evgeni Koroliov:

https://de.wikipedia.org/wiki/Jewgeni_Alexandrowitsch_Koroljow

www.tacet.de

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