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Mein Hörtipp: Kammerjazz Kollektiv: Wintermärchen

Der Name der Band ist hier Programm: Geige, Bratsche, Cello und Klavier…und „Jazz“. Nun, warum in Anführungszeichen? Es ist gar nicht so einfach, wie es im ersten Schritt erscheint, diese neue CD zu besprechen. Nicht nur, dass 6 der 10 Songs aus der Feder des Pianisten Daniel Stawinski stammen, sind die anderen 4 so z.B. von R. Hernandez, M. Simona, G. F. Händel und J. S. Bach.

Also eine kammermusikalische klassische Zusammensetzung mit freien Kompositionen und echten „Klassikern“. Vielleicht werden sich nun einige abwenden und mit Schrecken an die schlimmen Bespiele der Vergangenheit denken, in denen klassische Orchester Rock-, Pop-Songs oder Jazz spielen, oder umgekehrt. Aber keine Sorge, diese Gefahr besteht hier nicht. Im Gegenteil.

Was hier Heloise Lefebvre an der Geige, Sebastian Peszko an der Bratsche und Susanne Paul am Violoncello mit Daniel Stawinski am Klavier gemeinsam kreieren, ist etwas ganz Besonderes und eine einnehmende und sehr stimmungsvolle Musik.

Das im Oktober 2021, also mitten in der Pandemie mit allen ihren zum Teil katastrophalen Beschränkungen für Künstler:innen aufgenommene und durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa geförderte Album hat nichts mit irgendwelchen „Cross-Over“ Ansätzen zu tun.

Die 4 Musiker:innen geben ihre eigene individuelle interpretatorische Sichtweise auf die Musik wieder und sind dabei in beachtenswerter Art und Weise in der Lage verschiedenartigste Einflüsse und Grundlagen so zu interpretieren, dass alle 10 so unterschiedlichen Stücke immer nach dem Kammerjazz Kollektiv klingen. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man die Herkunftsgeschichten der Stücke und deren grundsätzlichen Unterschiedlichkeiten kennt. Eine herausragende Leistung.

Und so erwarten die Zuhörer:innen akustische Instrumente, die in der Lage sind, in ihrer Besetzung einen Drive und eine „Swing“ zu erzeugen, dass es einen mehr als nur ein Mal erstaunt. Wunderbare Melodien von einer gewissen Zartheit, Zurückhaltung und einer Bescheidenheit der Musiker:innen zusammen allein dem Ziel, der bestmöglichen Interpretation zu dienen. Sie tun dies aber nicht, in dem sie die Kompositionen einfach in ein „klassischen Jazz-Gewand“ hüllen. Sie machen etwas individuelles, eigenständiges und ganz Eigenes daraus. Und das Ergebnis ist von einer großen Ästhetik geprägt, die immer wieder verschiedenste Einflüsse und neue rhythmische Strukturen mit einfließen lassen. Die meist sehr feinen Changes, kurzen Tempowechsel sind eher dem „reinen“ Jazz zuzuordnen, die Harmonien, die Stimmungen und die Klangfarben der Instrumente, sowie die Fähigkeit dies alles in einem kammermusikalischen Rahmen zu spielen, zu interpretieren und sich entwickeln zu lassen, sind klar die prägenden Stilelemente des Kammerjazz Kollektivs.

So ist z.B. die dreiteilige Cello-Suite ein sehr guter Beweis für eine heute eher seltener anzutreffenden musikalischen Eigenständigkeit eines Ensembles und spätestens bei der Fuge in E-Moll von J.S. Bach versteht man, was uns die vier Künstler:innen wirklich mitteilen wollen: Keine Mischung der Genres oder nur eine andere Wiedergabe der Musik in einer dem Jazz zuzuordnenden Spielart. Hier wird intensiv erlebbare Musik mit vielen Nuancen und feinsten „Zwischentönen“ gespielt, die keine Erklärungen oder gar Entschuldigungen braucht.

Für mich ganz klar eine der besten CDs der letzten 12 Monate und ein Beweis dafür, wie Musiker:innen selbst in schwersten Zeiten den Problemen nicht nur trotzen, sondern in diesen sogar solche großartige Musik entstehen lassen können.

Unbedingt anhören, denn das Wintermärchen wird Sie faszinieren. Das verspreche ich Ihnen!

Hier wieder ein paar links und Anhörbeispiele: 

https://www.kammerjazzkollektiv.com/

https://www.kammerjazzkollektiv.com/videos

https://www.youtube.com/channel/UCGkd8Fvx0qaFN6jgsCrUZTQ/videos

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