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Joachim Bung: Hifi-Geräte, die mich prägten: Mein Mekka in der Kaiserstraße

HiFi-Geräte, die mich prägten:

Mein Mekka in der Kaiserstraße

von Joachim Bung

Zur Zeit meiner ersten Stereoanlage von Dual fuhr ich bereits öfter zu ausgiebigen Streifzügen durch die HiFi-Läden ins nahe Frankfurt. Den räumlichen Eindruck von echter Stereofonie hatte ich erstmals im Phonohaus an der Hauptwache erfahren – über den Kopfhörerverstärker Shure Solo-Phone in Verbindung mit einem Braun-Plattenspieler PS 500, Shure Tonabnehmer M 75 und Kopfhörer von Koss mit flüssigkeitsgefüllten Ohrmuscheln.

In Deutschland von Braun vertrieben: Kopfhörerverstärker Shure Solo-Phone – hier das Tischmodell

Für ein Schallplattengeschäft war das Anfang der 1970er Jahre eine außergewöhnlich gute Abhöranlage. Zu dieser Zeit konnte man Musik auf Vinyl vor dem Kauf noch anhören. Niemand musste da die „Katze im Sack“ kaufen. In der vornehmen Klassik-Abteilung im Obergeschoss standen dafür sogar Abhörkabinen mit „Selbstbedienung“ bereit, auf der man die Scheiben auf einem Lenco L 75 mit Verstärker und Regalboxen von Goodmans probeweise auflegen konnte. Eher üblich in Plattengeschäften waren allerdings billige Spieler mit viel grauem Kunststoff, Plastik-Tonarm und einem dünnen Teller, der unter einer LP verschwand. Wobei das Kristallsystem höchstens alle Jubeljahre einen neuen Saphir spendiert bekam.

Mein Mekka war jetzt das HiFi-Studio „main radio“ von Horst Brinitzer. Der Selfmademan hatte sich beim führenden Frankfurter Rundfunkhändler Radio Diehl – wo noch Verkäufer in weißen Mänteln mit Kugelschreiber in der Brusttasche die Kunden bedienten – vom Praktikanten zum Filialleiter emporgearbeitet und ab 1968 im beginnenden HiFi-Boom seine eigene Filialkette aufgebaut.

Anzeige in der Frankfurter Tagespresse 1968

Für sein neues HiFi-Studio im Hauptgeschäft Kaiserstraße 40 gewann der Inhaber Rolf Ullmann, den er von einer Händlerpräsentation bei Paillard-Bolex her kannte. Ullmann, gerade dreißig, war damals schon ein alter Hase im Geschäft. Seine Ausbildung zum Großhandelskaufmann hatte er ab Herbst 1959 beim Frankfurter Thorens-Importeur Herbert Anger absolviert. Nach Episoden als HiFi-Vertreter für Echolette und als „Schrauber und Bastler“ bei Garrard-Audioson gab er 1965 ein Gastspiel im Frankfurter Thorens-Vorführstudio in der Neuen Mainzer Straße – was ihn aber nicht ausfüllte: „Ich wusste am Abend nie genau, was ich geschafft hatte, da ich die Besucher bei meiner rein beratenden Tätigkeit bei Interesse am Kauf der Geräte ja an den Fachhandel verweisen musste.“ Danach war Ullmann Leiter der HiFi-Abteilung im Phonohaus – und erstmals direkt am Erfolg beteiligt. Hier entwickelte er sich zur Verkaufskanone!

In Ullmanns Reich bei main radio – ganz am Ende des schlauchartigen Ladens hinter den verheißungsvollen weißen Türen – ließ Brinitzer dem Spitzenverkäufer freie Hand. Was auch immer er an Räumen und Ausstattung begehrte – kein Wunsch wurde ihm verwehrt. Außerdem zahlte Brinitzer seinem Hoffnungsträger „ein kleines Direktorengehalt“.

Rolf Ullmann – hier später in seinem eigenen Studio „Ullmann HiFi“ in der Eschersheimer Landstraße

Bei main radio war ich in der Welt von HiFi und Stereo endgültig angekommen. Der Laden führte zwar auch einheimische Geräte wie den Plattenspieler Dual 1219 oder den bildschönen Braun-Receiver Regie 500 und warb mit Kombinationen „bis 15000 DM“ – damit war die 1000er Anlage von Braun im „Grand Design“ gemeint. Doch der Fokus lag hier klar auf ausländischen Modellen, speziell aus Japan, die Anfang der 1970er Jahre auf den deutschen Markt drängten. Ausschlaggebend für den stets in Umsatz- und Gewinnzahlen denkenden Ullmann war, dass die fernöstlichen Firmen dem deutschen Fachhandel Gewinnspannen von 40 bis 50 Prozent einräumten. Aber das wusste ich als HiFi-Neuling natürlich nicht.

Eine ganz andere Welt

Stattdessen erzählte mir der Schlaufuchs, man könne „im Voraus ein Kreuz im Kalender machen“, wann viele deutsche HiFi-Geräte zum ersten Mal defekt sind. Das glaubte ich ihm auf‘s Wort, denn die Japaner empfand ich im Vergleich zu den Geräten deutscher Provenienz als Erlösung. Meine Freunde und ich waren begeistert!

Das waren HiFi-Geräte, die zuverlässig funktionierten, gegenüber dem betulichen Look vieler zeitgenössischer deutscher Erzeugnisse gut aussahen und in Testberichten hervorragend abschnitten. Hier gab es keine Nussbaum- sondern Stahlgehäuse, kein gebürstetes Aluminium, sondern anodisiertes Gold, keine Mager-Ausstattung, sondern umfangreiche Bedienungsmöglichkeiten, keine Diodenbuchsen, sondern international gebräuchliche Cinch-Ausführungen, keine wackeligen Drucktasten und Flachbahnregler, sondern satt rastende Drehknöpfe und schmatzende Schalter, keine aufgedruckten, sondern in dicke Frontplatten eingravierte Beschriftungen, keine nur einjährige Gewährleistung, sondern volle zwei Jahre Herstellergarantie.

Kenwood-Vollverstärker KA-4000, ein Paradebespiel japanischer Verstärkerbaukunst. Positiv getestet von Karl
Breh 1969 in der HiFi-Stereophonie

Bestechend fand ich auch die englischen Bezeichnungen der Bedienungselemente. Damals beherrschten in Deutschland die meisten Erwachsenen die heutige Weltsprache nicht. Selbst Braun beharrte bis Anfang der 1970er Jahre auf deutsche Beschriftungen, als fortschrittlicher Hersteller in modischer Kleinschreibung. Was mitunter zu kuriosen Abkürzungen wie „nadelf.“ führte – womit das Nadel- oder besser Rauschfilter an den Verstärkern und Receivern gemeint war.

Bei main radio fiel ich von einer Begeisterung in die andere – und hing Rolf Ullmann an den Lippen. Was auch immer der ehemalige Elektriker, der noch den Umgang mit „Strippen“ gelernt hatte, mir erzählte – für mich war das Gesetz. Dabei ahnte ich nicht, dass mein „HiFi-Papst“ sich bisweilen nicht scheute, bei einer Heco-Box den Hochtöner abzuklemmen, um die klanglichen Vorzüge der Wharfedale Super Linton oder gar der Bose 901den erstaunten Studiobesuchern vorzuführen.

Viele HiFi-Geräte bei main radio waren für mich als Student unerschwinglich, so der Thorens TD 125 mit Werkstonarm TP 25 oder besser noch dem SME 3012/II in langer Zarge mit verlängerter Frontschiene als TD 125 LB. Preislich an der Spitze lag der McIntosh-Vorverstärker C 26 in Kombination mit der MC 2505 – der ersten Transistor-Endstufe aus Binghampton mit VU-Metern, den legendären „blauen Augen“. Aber auch die großen japanischen Vollverstärker jenseits der 1000 DM befanden sich außerhalb meiner finanziellen Reichweite. Darum geht es in meinem nächsten Beitrag – über HiFi-Geräte, die mich prägten.

Kenwood-Spitzenpärchen von 1972: Tuner KT-7001, Vollverstärker KA-7002

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