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Mein Exklusivinterview mit Wolfgang Lackerschmid zur Entstehung seiner LP mit Chet Baker „Ballads For Two“

Die LP „Ballads For Two“mit Wolfgang Lackerschmid und Chet Baker galt viele Jahre als eine der best-klingendsten LPs aller Zeiten. Da sie zudem auch musikalisch etwas ganz Besonderes ist, habe ich Ihnen diese in wenigen Stückzahlen sogar noch im Original erhältlichen LP (Bestellmöglichkeit siehe unten) schon vorgestellt. Heute, wie versprochen, mein Exklusiv-Interview zu der LP und allen Hintergründen mit Wolfgang Lackerschmid…und natürlich ganz exklusiven Fotos!

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Chet und wie habt ihr Euch kennengelernt?

Wir lernten uns bei einem Festival kennen, hatten gleich einen guten Draht zueinander und kamen danach beim gemeinsamen Abendessen ins Gespräch über das Duo, das ich gemeinsam mit Herbert Joos (trp, flh) hatte. Chet sagte: „I wanna do that“. Ich hielt das zunächst für eine freundliche Floskel. Erst als seine Agentin ein paar Tage später bei mir anrief, um einen Aufnahmetermin abzustimmen, wurde mir klar, dass er es ernst meinte.

Wie war Chet Baker als Musiker und als Mensch? 

Da gibt es sicher je nach Person ganz unterschiedliche Einschätzungen. Zu mir war er immer sehr offen, freundschaftlich und humorvoll, auch in seiner Art mir Ratschläge zu geben.

Beeindruckend war für mich unter anderem, dass er, auch wenn es ihm (z.B.: bei Drogenentzug) schlecht ging, immer seinen Stolz bewahrt hatte. Ein Arzt der im Begriff war ihm seine Ersatzmedikamente zu geben, machte begleitend noch eine Bemerkung darüber, dass Chet aus gesundheitlichen Gründen doch aufhören sollte Drogen zu nehmen. Darauf hin sagte Chet zu mir: „Wolfgang, please tell this man that I was not always a good boy“, worauf er die Arztpraxis verliess ohne die Medikamente mitzunehmen.

Es war auch inspirierend mit ihm zu reisen. Chet philosophierte gerne. Bei den Zugfahrten kommentierte er die vorbeiziehenden Landschaften, wir spielten Schach oder er sang mir Stücke vor die ich noch nicht kannte, damit wir sie am Abend spielen konnten.

Wie war die Zusammenarbeit mit Chet Baker, einem der größten und wichtigsten Jazz-Ikonen und einem Giganten an der Trompete, der einen, seinen so eigenen Stil geprägt hat?

Vom ersten gemeinsamen Ton an entstand eine Magie in unserem Duo, die bis heute fasziniert. Bei einem Interview zur Vorbereitung des  Chet Baker Films BORN TO BE BLUE sagte ich, dass beim Spielen mit Chet ich die Zeit wie einen Raum empfinde, den wir gemeinsam durchschreiten. Dies wurde im Film dann wörtlich verwendet, als Aussage von Chet selbst.

Von Chet habe ich bewusst und unbewusst eine Menge gelernt, am meisten direkt durch das Zusammenspiel auf der Bühne.

Gleichzeitig fand ich meine Auffassung von Musik machen auf die schönste Weise bestätigt. Obwohl ich zu der Zeit klassisch Komposition und Schlagwerk studierte, war ich – und bin es immer noch – ein Musiker, der lieber ohne Noten, rein nach Gehör die Stücke lernt und auch einfach spontan das spielt, was er gerne hören möchte, eben genau so wie es bei Chet war. Dies war natürlich eine nicht zu ersetzende gemeinsame Basis.


Wer hatte die Idee zum Album „Ballads für Two“ und wie habt ihr die Titel ausgewählt?

Als ich erfuhr dass Chet tatsächlich eine Duoaufnahme mit mir machen wollte, begann ich sofort dafür zu komponieren.

WHY SHOULDN’T YOU CRY war das erste Stück das ich schrieb. Neben den Kompositionen die ich mitbrachte spielten wir spontan ein paar Standards. YOU DON’T KNOW WHAT LOVE IS war der erste Titel, den wir quasi zum soundcheck spielten. Es war sofort eine besondere Stimmung, so dass wir diesen Take auf der Platte verwendeten. Es sind dort also genau die ersten gemeinsamen Töne zu hören. Blue Bossa war mein Vorschlag. Ich weiss nicht ob Chet das Thema nicht vertraut war, oder er gleich inspiriert ein eigenes spielte. Jedenfalls ist das eigentliche Thema gar nicht zu hören. Jahre später habe ich mal in einem Club eine Band gehört, die Blue Bossa angekündigt hatten und dann genau die Melodie spielten, die Chet bei dieser Aufnahme improvisierte. Es gibt auch einige sehr frei improvisierte Stücke. Bei FIVE YEARS AGO hatte ich nur dieses kleine Motiv vorgegeben, der Rest entstand in gemeinsamer Improvisation. 

Wie kam es zu euren gemeinsamen Song „Dessert“?

Bei DESSERT, da hatte ich die verschiedenen Gongs, (Shengs, Lokoles und Ogororos von UFIP) in einzelne Gruppen eingeteilt und die jeweiligen Töne als Vorgabe genommen. Wie in einer Suite spielten wir dann über die so entstandenen Harmonien. Die verschiedenen Stimmungen und Rhytmen egaben sich mit den Klängen.

Die Aufnahme war nach einer Pause, in der jeder von uns 2 Portionen Vanilleis mit heissen Himbeeren zum Nachtisch hatte. Daher der Titel.

Was ist die ganze Geschichte hinter dem Song: „Why shouldn´t you cry“?

Die Ballade hatte ich extra für diese Aufnahme mit Chet komponiert, sie hatte noch keinen Titel.  Im Studio transponierte ich die Melodie noch für die Bb-Stimme. Als ich die Harmonien dazuschreiben wollte unterbrach mich Chet. „I don’t need no changes, I got the melody“.

Als wir nach der Aufnahme in den Regieraum sahen wir dort unsere Freundinnen mit Tränen vor Rührung. Es war ihnen wohl etwas peinlich, worauf Chet sagte: „Why Shouldn’t You Cry“ … uns schon war der Titel für die Ballade gefunden.  

Wie lange hat die Aufnahme gedauert? Habt ihr viel live eingespielt oder nachbearbeitet?

Die Aufnahme dauerte 2 halbe Tage. Es wurde nichts nachbearbeitet. Das was wir quasi live im Studio spielten kam genau so auf das Magnetband.

Nach den Liner Notes hast Du nach der Aufnahme noch mehrere Male mit Chet zusammen gespielt. Wie sind Deine Erinnerungen daran?

Wir hatten über die Jahre mehrere Tourneen und auch einzelne Konzerte, sowohl im Duo, als auch mit den unterschiedlichsten Bandformationen. Manchmal waren es lange Strecken, wie von Kongsberg (Norwegen) direkt nach Velden am Wörthersee.

Zum Teil waren die Tourneen sehr gut organisiert, wir fuhren first class, immer begleitet von einem Tourmanager, mit der Bahn, die Instrumente und Technik meist nach dem Konzert im Bus schon voraus. Für rund 4 Wochen am Stück hatte ich mein Instrument immer nur auf der Bühne gesehen. Dann gab es aber auch chaotische Phasen mit kurzfristig anberaumten Konzerten, die zum Teil auch verschoben gewesen waren weil Chet nicht auftauchte. Manchmal schleppte ich das zusammengeklappte Vibraphon im Zug mit, oft waren wir auch mit 2 PKWs unterwegs.

Habt ihr beide Euch eigentlich auch außerhalb von Konzerten und Aufnahmensessions getroffen?  

Ja, immer wieder. Chet besuchte mich öfters in Stuttgart wenn er in der Nähe war. 

Wenn jeder von uns mit anderen Formationen unterwegs war, besuchten wir auch gegenseitig unsere Konzerte. Man traf sich natürlich auf Festivals, aber auch immer mal wieder „on the road“, wenn sich die Wege kreuzten.

Wie Du ja weißt, war die LP für viele Fachjournalisten nicht nur musikalisch herausragend. Die LP galt für viele Ende de 70er und Anfang der 80er Jahre als eine der besten je aufgenommenen LPs. Habt ihr bei der Aufnahme darauf geachtet? Besonderes Equipment eingesetzt? Wenn ja, welches?

Wir hatten natürlich gute Mikrophone und spielten direkt auf die Bandmaschine.

Die akustische Faszination entstand aber sicher auch durch die besondere Besetzung und unsere damit verbundene Spielweise.

Man kann als Hörer einfach alles nachvollziehen als säße man direkt mit uns im Raum.

Wo wurde das Album aufgenommen?

Im Tonstudio Zuckerfabrik in Stuttgart/Wangen.

Produziert  (Wiederveröffentlicht) wurde die Platte ja von Jerry Roche. Warum gerade er?

Jerry traf ich 2018 auf der Jazzahead. Er und Jo Bickhardt von Dot Time Records sprachen mich dort auf die Aufnahmen von Chet an und boten mir an diese remastered und mit bonustracks in USA neu zu veröffentlichen.

Du hast mir gesagt, dass es die Original LP noch ein paar mal gibt. Ist das immer noch so? Wenn ja, wo kann man dieses kaufen?

Ich habe noch rund 20 unbespielte Exemplare der Pressung von 1979.

Für die Sammler habe ich diese in den shop von hipjazz.net gegeben.
(https://hipjazz.net/epages/a8cd05bc-fc52-456b-9612-1e49954ed715.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/a8cd05bc-fc52-456b-9612-1e49954ed715/Products/%22LP%20002%22 )

Die CD Version des Albums ist heute noch immer im Programm. Darauf befinden sich 2 Bonus Tracks. „Double O“ ist ein neuer Song, „Why you shouldn´t cry“ ist hier in einer anderen Version als auf dem Original-Album zu hören. Was sind die Hintergründe?

Double 0 war ein komplett frei improvisiertes Stück, das wir nicht auf die Original LP genommen hatten.

Zeitlich hätte nicht mehr draufgepasst. Die anderen Stücke auf der Original LP waren unsere Favoriten.

Die andere Version von Why Shouldn’t You Cry war eigentlich der erste Take, den wir besonders schön fanden. Nur war, weil Chet ohne Vorwarnung die Trompete mit Dämpfer spielte, zu wenig Pegel von der Trompete auf dem Band.

Erst später konnte ich mit digitaler Technik die Trompete aus dem Mix etwas herausfiltern und lauter bekommen, gleichzeitig das damit verbundene Rauschen wieder reduzieren.

Bist Du eigentlich auch ein Hifi-Fan? Womit hört Wolfgang Lackerschmid privat Musik?

Aber ja! Als ich mir eine entsprechend Anlage leisten konnte wunderte ich mich erst mal, was ich auf meinen Platten an Details alles noch entdecken konnte. Marken möchte ich nicht nennen, aber ich habe einen großen Verstärker mit 8 Röhren und einen Plattenspieler der etwas an eine Zahnarztpraxis erinnert. 😉

Ich habe ja Deine beiden letzten Alben in m einem Blog besprochen, s.u.. Sie sind beide ausgesprochen gut und zeigen, wie enorm breit Dein Spektrum ist. Was werden wir als nächsten von Dir erwarten können?

Momentan bereite ich zusammen mit der Sängerin Stefanie Schlesinger eine Duo Platte für Dot Time vor. Ich kann schon mal verraten dass es eine besonders reizvolle Produktion wird, sowohl musikalisch als auch klanglich. 

Gehst Du nach der langen Coronazeit mit allen ihren enormen Auswirkungen für Künstler:innen wieder auf Tour? Wann und wo können wir Dich endlich wieder live sehen?

So langsam kommen wieder Nachholkonzerte und neue Engagements. Auf meiner website unter „live“ kann man sich da immer informieren: http://lackerschmid.de/index.php/live

Zum Abschluss noch eine ganz persönliche und vielleicht auch etwas ungewöhnliche Frage: Wenn ich Dich heute nach deinen Empfindungen zu der nun schon über 40 Jahr zurückliegenden Aufnahme frage und Du sofort und ohne darüber nachdenken zu dürfen antworten musst. Was würde Dir sofort dazu in den Kopf schießen?

Wenn ich die Musik höre ist sie für mich einfach gegenwärtig. Ich weiss zwar rational, dass die Aufnahme schon Jahrzehnte her ist, fühle beim Hören alles aber genau so wie damals beim Spielen und kann deshalb diese Zeitspanne gar nicht realisieren.

Vielen Dank Wolfgang für das wieder sehr angenehme Gespräch!

Bestellmöglichkeit der letzten Original-LP:

https://hipjazz.net/epages/a8cd05bc-fc52-456b-9612-1e49954ed715.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/a8cd05bc-fc52-456b-9612-1e49954ed715/Products/%22LP%20002%22

Und hier noch ein paar Fotos (Danke auch hierfür an Wolfgang!!!)

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